Wie bist du selbst zur Welt gekommen? Geburtsgeschichten in der Familie

Wir alle wurden geboren und haben eine Geburtsgeschichte. Was weißt du über deine?

Hast du schonmal darüber nachgedacht, was deine eigene Geburtsgeschichte mit dir gemacht hat? Wie wurdest du geboren? Was wurde dir erzählt? Wie bekommt „Frau“ in eurer Familie Kinder?

Ich habe immer gerne die Geschichten gehört, wie meine Schwester und ich geboren wurden. Sie wurden zu unseren Geburtstagen erzählt, aber auch zwischendurch: Beide sehr schnell und unkompliziert, meine Mutter berichtete von Übelkeit, aber sonst nicht viel mehr. In unserer erweiterten Familie gab es natürlich noch mehr Geschichten: Kinder, die in der Badewanne geboren wurden. Kinder, die blau angelaufen waren bei der Geburt und in die Kinderklinik verlegt werden mussten. Geschichten von Fehlgeburten und unerfülltem Kinderwunsch. Was hat das mit mir gemacht? Welche Bilder von Geburt hat es als kleinen Samen in meinen Kopf gepflanzt?

Mir ist vor ein paar Tagen eine Studie aufgefallen, die 2022 veröffentlicht wurde und in der 10 Personen dazu interviewt wurden, wie ihre eigene Geburtsgeschichte sie beeinflusst hat. Die Studie hat also eine sehr kleine Stichprobe und hatte nicht zum Ziel, eine Aussage über Zusammenhänge von bestimmten Faktoren zu machen o.ä. Vielmehr ging es darum, bestimmte Themen & Aspekte zu erkennen, die eine Rolle spielen könnten.

Die Studie

Jane Ogden und Amy Syder interviewten 7 Frauen und 3 Männer zwischen 22 und 28 Jahren aus England zu ihren Empfängnis-und Geburtsgeschichten. Sie fragten die Teilnehmer:innen, was sie über die eigene Geburt wussten, wie darüber in ihren Familien gesprochen wurde und wie es sie beeinflusst hat. Die Forscherinnen identifzierten 4 übergeordnete Themen:

Einfluss auf das eigene Selbstbild

Viele Geburtsgeschichten beinhalteten auch Komplikationen, die ganz anders hätten ausgehen können. Daraus entstand für einige der Interviewten das Gefühl Glück gehabt zu haben und dankbar für das eigene Leben zu sein. Auch ein Einfluss auf das eigene Körpergefühl und das Vertrauen in den eigenen Körper wird genannt. Für manche ziehen sich Eigenschaften ihrer Geburt durch das ganze Leben:

Ich sag immer wieder zu den Leuten, wenn ich zu spät bin, was ständig der Fall ist, dass ich nicht mal bei meiner eigenen Geburt pünktlich war, meinst du wirklich ich werde jetzt pünktlich sein?

Einfluss auf die Familienbeziehungen

Manchmal zeigen die Geburtsgeschichten auch, welche Herausforderungen die Eltern gemeistert haben, um die Interviewten zur Welt zu bringen, insbesondere wenn die Eltern durch eine Kinderwunschbehandlung gegangen waren. Sie spürten:

Ich fühle eine Menge Liebe von meinen Eltern und meiner erweiterten Familie, da ich weiß, ich wurde wirklich lange erwartet, wie das Ergebnis von, ich weiß nicht, meine Mutter sieht es als Wunder an.

Manche berichteten auch, dass es ihre Sicht auf die Mutter beeinflusst hat, diese wurde als sehr stark und resilient angesehen und einige berichteten regelrecht stolz auf ihre Eltern zu sein.

Für einige waren die Geburtsgeschichten auch eine Möglichkeit, sich insbesondere den Müttern sehr nahe zu fühlen und eine enge Bindung aufzubauen, auch weil die Geschichten eine verletzliche Seite zeigten.

Auch Geschwisterbeziehungen könnten beeinflusst werden, positiv wie negativ. So fühlte sich eine Teilnehmerin als Beschützerin ihrer schwächeren Zwillingsschwester, eine andere fühlte sich schuldig für den Stress und die Sorge, die sie in die Familie gebracht hatte.

Transgenerationale Weitergabe und der Einfluss auf das Elternwerden in der Zukunft

Geschichten von Schwierigkeiten schwanger zu werden, führten dazu, dass die Sorge vor eigenen zukünftigen Schwierigkeiten verständlicherweise hoch war.
Und natürlich beinflusst die Geschichte davon, wie wir geboren wurden, ob wir eher mit Angst oder Selbstvertrauen an eigene Geburten denken.

Ich fühle mich seltsamerweise sehr zuversichtlich, obwohl ich diese ganzen Horrorstories von anderen gehört habe, und ich denke das ist komplett beeinflusst durch meine Mutter.

Das Wie ist entscheidend

Dabei ging es offenbar nicht nur darum, was erzählt wurde (z.B. ob es Komplikationen gab) sondern auch wie und mit welchen Emotionen es erzählt wurde (z.B. mit Humor und einem positiven Blick). So wurde bei einigen Geschichten der Schmerz, die Angst und Panik betont, andere wurden eher mit Humor, Wärme und Ruhe erzählt und dementsprechend auch verknüpft.

Deine Geburtsbiografie

Ich finde diese Studie sehr spannend, auch wenn klar sein sollte, dass es eine sehr kleine Stichprobe war und damit keine Rückschlüsse auf eine größere Zahl an Menschen zu machen ist.

Aber klar ist auch, dass wir bestimmte Reaktionen, Glaubenssätze und Einstellungen am Modell lernen – auch Ängste können so übertragen werden.

Also fragt euch doch gerne mal:

  • Wie wird/wurde in meiner Familie über Schwangerschaft & Geburt gesprochen?
  • Was weiß ich über meine eigene Geburt? Mit welchen Gefühlen sind sie verknüpft?
  • Wie haben diese Geschichten mein Bild von mir, meiner Mutter oder meinen Geschwistern beeinflusst?
  • Wie spreche ich mit meinem Kind und anderen Familienmitgliedern über die Geburten, die ich als Gebärende erlebt habe?
  • Welche Quellen für mein Bild von Geburt waren für mich noch bedeutsam? Was hat meine Vorstellung geprägt

In meinem Newsletter diese Woche geht es darum, wie wir mit unseren Kindern über ihre Geburt sprechen können -

Also registrier dich JETZT und erhalte alle 2 Wochen spannende Infos und konkrete Tipps aus der Welt der Psychologie rund um die Geburt!

Quelle

Ogden, J. & Syder, A. (2022). Making sense of the stories we are told about our own conception and birth: a qualitative analysis. In: Cogent Psychology 2022, Vol. 9(1), DOI: 10.1080/23311908.2022.2105877

 

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Das könnte dir auch gefallen...

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner