Eine Übung: Wie prägen dich deine Ideale und Erwartungen?

Früher oder später trifft werdende Eltern die Erkenntnis, das manches irgendwie anders verläuft als gedacht und geplant. Vielleicht fühlst du dich in der Schwangerschaft weder voller Hoffnung noch topfit. Oder das Kinderzimmer mit selbstgehäkeltem Mobilé und der hübschen Wickelkommode, das auf Pinterest so toll aussah, nutzt ihr im ganzen ersten Lebensjahr nur als Stauraum und Rumpelkammer.
Als Eltern entwickeln wir ganz natürlich im Laufe der Schwangerschaft (und oft schon weit davor) ein Ideal davon, wie eine Schwangerschaft, die Geburt, das eigene Baby, wir selbst als Mutter oder Vater und die Familie drumherum eigentlich aussehen sollen.

Welche Ideale beeinflussen dich?

Denke in einem ruhigen Moment mal darüber nach, welche Erwartungen und Ideale du persönlich mitbringst. Du kannst die Übung auch machen, wenn du schon ein Kind hast: Dann überspringst du einfach Schwangerschaft und Geburt. Es kann besonders spannend sein, wenn du die Übung gemeinsam mit deiner/deinem Partner*in oder Freundinnen und Freunden durchführst. Ein paar Fragen zur Inspiration rund um dein „ideales Baby“ bekommst du von mir mit diesen beiden Arbeitsblättern aus meinem Beratungsalltag. Speichere sie dir gerne ab und druck sie dir aus 🙂

Schreib erstmal alles auf, was dir in den Kopf kommt. Und natürlich auch gerne zu anderen Bereichen: Die ideale Schwangere ist vielleicht gut informiert und körperlich gesund und fit, die ideale Geburt läuft komplikationslos und nahezu schmerzfrei ab, Mütter gehen gleichzeitig feinfühlig auf die Bedürfnisse des Kindes UND des Partners ein, die Väter sind selbstverständlich höchst involviert und packen mit an und die Großfamilie ist in der Nähe und unterstützend, hält sich aber mit ungefragten Ratschlägen zurück…diese Übung darf ruhig Spaß machen 😉

Wie prägen dich deine Ideale?

Wichtig ist: Ideale zu haben ist keine Krankheit! Es ist völlig normal, ja zum Teil sogar sinnvoll, sich in der Schwangerschaft ein eher positiv gefärbtes Bild von der Zukunft zu machen. Denn Angst oder Sorgen sind ein schlechter Begleiter in dieser Zeit.
Du solltest dir allerdings Folgendes bewusst machen: Egal wie sehr wir uns von diesen Idealen abgrenzen, sie wirken auf unsere Wahrnehmung und Bewertung einer Situation oder eines Verhaltens. Nach der Geburt stellen wir uns dann langsam auf die Realität ein und müssen von den Idealen regelrecht Abschied nehmen. Einige dürfen aber vielleicht auch ganz bewusst als Leitstern in unserem Leben bleiben.

„Bis ich Mutter wurde, konnte ich in der schönen Illusion leben, ein netter Mensch zu sein!“

Vom Druck des Unerreichbaren

Es kann passieren, dass dir all das besonders auffällt, was vom Ideal abweicht (Hilfe, mein Kind schläft mit drei Monaten noch nicht durch! Und mein Bauch sieht auch noch ziemlich schlabbrig aus…). Und das erzeugt dann Druck und Stress. Manche Ideale widersprechen sich sogar oder setzen eine unerschöpfliche Energie und Zeit voraus. Und wenn wir jedes dieser Ideale erfüllen wollen, zu 100%, dann ist das tatsächlich ein sicherer Weg in die totale Erschöpfung oder Selbstabwertung.
In diesem Bild hab ich mal ein paar Ideale gesammelt, die ich so als Erwartung an mich hatte, BEVOR ich Mutter wurde. Sie sind vielleicht etwas überspitzt formuliert, aber im Grunde genommen hatte ich sie wirklich so im Hinterkopf (und das ist ja nur ein Auszug):

Nutze das Bild gerne als Vorlage für dich zum Erweitern und Ausfüllen!

Wie kannst du damit umgehen, wenn es dir so ähnlich geht wie mir damals? Das Zauberwort heißt Reflexion: Denke darüber nach, was dir davon selbst wirklich wichtig ist. Worauf du deinen Fokus richten möchtest und von welchen Idealen du dich verabschieden musst oder möchtest.

Egal wie sehr wir uns von diesen Idealen abgrenzen, sie wirken auf unsere Wahrnehmung und Bewertung einer Situation oder eines Verhaltens.

Annehmen, was ist: Die Brille der Erwartungen absetzen

Du kennst vielleicht auch Beispiele, in denen uns nicht die Abweichung von den Idealen auffällt, sondern wir eher die Realität in unsere Schubladen im Kopf pressen:  Ein ruhiger, introvertierter Sohn wird von seinen Eltern dann als “wilder Räuber” bezeichnet, eine laute und wilde Tochter vielleicht als “kleines Mäuschen” (jetzt mal ganz klischeemäßig). Die Kinder werden also durch die Schablone der Erwartungen gesehen. Das ist für die Entwicklung des Kindes sehr ungesund: Prof. Karl Heinz Brisch, Bindungsforscher und Psychiater, spricht gerne davon, man könne “aus einem Nilpferd kein Rennpferd machen” (wobei hier keine Wertung hinterliegt). Die Galopprennbahn mag für den Rest der Familie der Lebensinhalt sein, aber das Nildpferd fühlt sich eben im Wasser am wohlsten – und zeigt erst hier seine besonderen Stärken. Im besten Fall lernt das Kind, dass es selbst Wert hat, unabhängig davon, ob es bestimmten Erwartungen entspricht oder nicht. Und Eltern lernen ebenfalls genau das: Sie sind wertvoll, egal ob sie den (eigenen) Erwartungen entsprechen oder nicht.

Wie ist es dir bei der Übung ergangen? Welche Ideale belasten dich, über welche kannst du lachen? Welche bleiben übrig, die vielleicht einen wichtigen Wert in deinem Leben widerspiegeln? Wenn du gemeinsam mit mir in die Reflexion kommen möchtest oder an einer Stelle noch hakst, melde dich gerne!

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