Ist es normal, so erschöpft zu sein?

Du fühlst dich gestresst, erschöpft oder zweifelst immer öfter an dir als Mutter?
Viele Eltern mit kleinen Kindern sind nach fast drei Jahren Pandemie und anderen globalen oder ganz persönlichen Krisen am Ende ihrer Kräfte oder bereits darüber hinaus. Auch das Müttergenesungswerk schlägt Alarm. Die körperliche Erschöpfung der Mütter habe zugenommen, ebenso die psychiatrischen Diagnosen. Auch diejenigen, die nicht die Diagnosekriterien erfüllen, versuchen oft nur noch zu funktionieren und irgendwie den Alltag zu überstehen.

In dieser Artikel-Serie möchte ich dir u.a. das Konzept des Eltern-Burnouts vorstellen, das seit den 1980er Jahren erforscht wird. Insbesondere in den letzten Jahren hat es zunehmendes Interesse von Wissenschaftler:innen geweckt. Warum das Thema so aktuell ist wie nie, wie du erkennst, ob du unter einem Burnout leidest und was du jetzt und langfristig tun kannst – das erfährst du in dieser Artikel-Serie. 

Das sind Warnsignale für einen Eltern-Burnout

Das Konzept des Burnouts kennen wir ja eher aus dem Arbeitskontext. Es lässt sich aber auch gut auf das Erleben als Eltern übertragen. Das haben Wissenschaftler:innen auch gemacht und mittlerweile gut untersucht. Ein wichtiger Hinweis vorweg: Die Symptome haben Überschneidungen mit anderen körperlichen oder psychischen Erkrankungen, wie Nährstoffmangel oder Depressionen. Es ist wichtig, diese auszuschließen bzw. rechtzeitig zu erkennen. Auch wichtig zu wissen ist, dass Eltern-Burnout keine anerkannte Diagnose ist. Manchmal wird stattdessen eine Erschöpfungsdepression diagnostiziert und diese Unterscheidung ist auch in der Forschung noch umstritten. 

Aber nur, weil wir noch nicht das perfekte Konzept und Wort dafür haben, was viele Eltern heute empfinden, sollten wir nicht die wissenschaftlichen Erkenntnisse darüber außer Acht lassen. Es darf nicht normal sein, dass Eltern ständig erschöpft und am Limit sind!

Du kannst es dir ein bisschen so vorstellen, dass sich die Erschöpfung einfach immer weiter aufbaut, wenn du dich nicht zwischendurch erholen kannst. Und dann erkennst du dich vielleicht mehr und mehr in der Beschreibung der beiden Wissenschaftlerinnen Isabelle Roskam und Moïra Mikolajczak wieder:

Erkennst du dich wieder?
  • Du bist ständig sehr erschöpft. Vielleicht denkst du schon beim Aufstehen daran, dass deine Kraft nicht reichen wird für den langen Tag, der vor dir liegt. 
  • Du baust unbewusst eine innere Distanz zu deinen Kindern auf, um deine wenige Energie zu sparen. Es fällt dir immer schwerer, mitfühlend mit ihnen zu sein und du fühlst dich weniger mit ihnen verbunden.
  • Du fühlst dich nicht erfüllt von deiner Mutterrolle oder sie wird dir zunehmend zu viel.
  • All das hat deinen Alltag in letzter Zeit stark verändert oder passt überhaupt nicht zu dem Alltag, den du dir eigentlich wünschst. Manchmal schämst du dich oder fühlst dich schuldig für deine Gefühle und Gedanken.

Alle Eltern kennen dieses Paradox - dass das Elternsein dir zur gleichen Zeit so viel Energie raubt und so viel Energie gibt.

In meiner Mutterschafts-Instagram-Bubble bemerke ich schon, dass es vielen Müttern so geht und einige auch richtig laut werden, gerade auch während der Pandemie. Mental Load scheint mittlerweile den meisten ein Begriff zu sein. Über „Die Erschöpfung der Frauen“ werden ganze Bücher geschrieben (steht noch auf meiner Leseliste 😉 ). Gleichzeitig spüre ich auch viel Einsamkeit und Scham bei den Müttern in meiner Beratung, die die Schuld bei sich suchen und es als ein persönliches Problem in ihrer Familie oder einzig der Pandemie geschuldet verstehen.

In den bald folgenden Artikeln dieser Serie werde ich näher darauf eingehen, welchen Einfluss die Gesellschaft und Pandemie auf diese kollektive Erschöpfung hat und gleichzeitig welche Faktoren und Handlungsmöglichkeiten es auf ganz persönlicher Ebene gibt. Um aber dem ganzen noch etwas Nachdruck zu verleihen, wie wichtig dieses Thema ist, möchte ich auch auf einige der möglichen Folgen hinweisen.

Eine erschöpfte Mutter sitzt mit ihrem Kleinkind auf dem Bett und wirkt ausgebrannt.

Foto von Keira Burton via pexels.com

Wenn die Erschöpfung nicht aufhört – 

Folgen eines Burnouts für die ganze Familie


Ähnlich wie chronischer Stress führt die dauerhafte Erschöpfung und Überforderung dazu, dass  unsere körpereigene Stressregulation (die sogenannte HPA-Achse) aus den Fugen gerät. Es gibt Hinweise darauf, dass dies auch zu weiteren körperlichen Symptomen wie somatischen Beschwerden oder Schlafstörungen führt. Du kennst vielleicht den Teufelskreis aus Erschöpfung, Sorgen, unangenehmen Gefühlen und Schlafstörungen, die dann wiederum zu mehr Erschöpfung führen. Es kann sich manchmal anfühlen, als könnte diese tiefe Erschöpfung niemals durch Schlaf wieder aufgeholt werden. Spätestens dann sollten deine Alarmglocken laut klingeln.

Nur mal kurz Zigaretten holen gehen…

Langfristig leidet also sowohl deine  psychische als auch deine physische Gesundheit unter dem Burnout: Manche Eltern tagträumen von einer Flucht à la „Nur mal kurz Zigaretten holen gehen“. Bei anderen entwickeln sich Selbstmordgedanken (ein klares Warnsignal für sofortige, professionelle Hilfe!). In jedem Fall leidet dein Wohlbefinden und auch dein Selbstwertgefühl. 

Jetzt seid doch einfach mal leise!

Du kennst das sicher – in stressigen Momenten bist du manchmal weit entfernt von der Mutter, die du eigentlich sein möchtest. Mitten in einem Burnout passiert das aber ständig. Noch dazu verlierst du mehr und mehr das Mitgefühl für deine Kinder und das Gefühl, mit ihnen verbunden zu sein. Das führt nachweislich zu mehr emotionaler und körperlicher Gewalt gegenüber den Kindern bzw. zu Vernachlässigung. Das kann passieren, wenn du keine Kraft mehr für die Regulation deiner eigenen Gefühle und Impulse hast und trotzdem weiter funktionieren musst.

Nie hilfst du mir!

Durch die Anspannung und Erschöpfung kommt es auch immer mehr zu Konflikten zwischen dem Elternpaar. Wenn du dich als Mutter (und natürlich auch als Vater) ausgebrannt fühlst, führst du es sicher zum Teil auch auf dein:e Partner:in zurück, vielleicht weil ihr euch die Aufgaben nicht fair teilt oder du wenig Unterstützung bekommst. Manche Mütter (oder Väter) schlucken auch die wütenden, aggressiven Impulse gegenüber ihren Kindern herunter und wälzen sie auf den/die Partner:in ab.

Gehe jetzt deinen ersten Schritt


Vielleicht denkst du jetzt: „Ok, soweit geht es bei mir nicht und ich werde weder handgreiflich gegenüber meinen Kindern, noch geht meine Beziehung gerade den Bach herunter.“ Ich möchte dich trotzdem ermuntern, JETZT erste Schritte zu machen, wenn du noch ein paar Ressourcen zur Verfügung hast. Für mich gilt die Grundregel: Dir gefällt etwas nicht an deiner Situation und du leidest darunter in deinem Alltag? Dann übernimm die Verantwortung, dich um dich selbst zu kümmern und etwas zu verändern. Und ja – natürlich weiß ich, dass dies leichter gesagt als getan ist und es auch systemische und gesellschaftliche Beschränkungen gibt, die sich nicht so schnell verändern lassen. Aber Nichts tun ist in diesem Fall auch keine Lösung – und vielleicht siehst du das ja genauso!

Ich habe dir einen Screening-Fragebogen aus der Forschung übersetzt, damit du nochmal für dich ein Gefühl bekommen kannst, ob deine Erschöpfung noch „im Rahmen“, d.h. Teil eines insgesamt gesunden Alltags ist oder du aktuell gefährdet bist, völlig auszubrennen. Denk daran, du bestimmst, ob du im Alltag darunter leidest und ob du etwas daran verändern möchtest!

Wenn du Fragen oder Gedanken zu diesem Thema hast, einen wichtigen Aha-Moment hattest oder Erinnerungen aufgeploppt sind – teil sie mit mir in den Kommentaren! Und wenn du mit mir zusammen arbeiten möchtest, melde dich gerne bei mir!

Mach den Test: Bist du Burnout-gefährdet?

 

Manchmal wird uns einfach alles zuviel. Für unser Wohlbefinden, unsere Gesundheit und die unserer gesamten Familie ist es wichtig, diese Signale ernst zu nehmen. Schätze für die folgenden Aussagen ein, wie häufig sie bei dir zutreffen. Täglich? 1-2x pro Woche? Seltener oder nie?

  • Ich bin so unendlich müde durch meine Rolle als Mutter, dass ich das Gefühl habe, Schlafen reicht nicht mehr aus.
  • Ich habe das Gefühl, dass ich als Elternteil wirklich erschöpft bin.
  • Ich habe den Eindruck, dass ich im „Autopilot-Modus“ bin, wenn ich mich um mein(e) Kind(er) kümmere (Ich tue, was getan werden muss, aber nicht mehr).
  • Ich kann meinen Kindern nicht mehr zeigen, wie sehr ich sie liebe.
  • Ich habe das Gefühl, dass ich das Elternsein nich mehr ertrage.

Hast du bei einer Aussage „täglich“ angegeben? Oder vielleicht bei zwei oder mehr Aussagen „1-2x pro Woche“? Dann ist das ein Hinweis auf ein erhöhtes Risiko, auszubrennen – und dein Signal, etwas dagegen zu unternehmen! 

Wichtig: Dieser Test ersetzt keine medizinische oder psychologische Diagnostik.

Quelle: Aunola, K. et al (2021). Development and validation of the Brief Parental Burnout Scale (BPBS). Psychological Assessment, 33 (11), 1125-1137;  eigene Übersetzung

Beitragsfoto von Gustavo Fring via pexels.com

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