Wie werden aus meinen Kindern keine People Pleaser, Ulrike Bossmann?

Mein erster Blogbeitrag im neuen Jahr und natürlich wünsche ich allen ein gesundes & zufriedenes neues Jahr voller schöner Erlebnisse und Momente mit euren Lieben!
Ich starte ins Jahr mit dem zweiten Teil meines Interviews mit Dr. Ulrike Bossmann und wir widmen uns quasi indirekt auch den guten Vorsätzen – nämlich wie wir unsere Kinder stärken können, so dass aus ihnen erst gar keine People Pleaser werden.
Wenn du den ersten Teil des Interviews noch nicht gelesen hast, empfehle ich dir das jetzt zu tun. Du erfährst dort, was People Pleasing überhaupt ist und wie du deine eigenen Tendenzen zum People Pleasing als Mutter oder Vater besser verstehen und  überwinden kannst.

Hier geht’s lang zum ersten Teil unseres Gesprächs!

In diesem zweiten Teil habe ich Ulrike gefragt, wie wir denn verhindern, dass wir solche Verhaltensmuster an unsere Kinder weitergeben und sie von vorneherein bestärken können, zu sich selbst zu stehen und auf die eigenen Bedürfnisse zu achten – ohne rücksichtslos und unempathisch zu werden. Viel Spaß mit Ulrikes spannenden Impulsen und vielleicht ergibt sich daraus ja der ein oder andere gute Vorsatz 🙂

Liebe Ulrike - wenn ich meine Kinder so erziehen oder unterstützen möchte, dass sie gar nicht erst in so ein Muster rutschen, gar nicht erst People Pleaser werden - wie kann ich sie stärken?

Das ist eine schöne Frage. Zwei Dinge finde ich besonders wichtig. Nummer 1 ist das Kind nicht für eigene Eigenheiten zu beschämen. Also sprich: Wenn ein Kind weint, weil gerade die Katastrophe losgeht und wir es aber nicht verstehen in dem Moment. Da NICHT zu sagen „Mein Gott, stell dich nicht so an.“ Sondern Gefühle zu validieren. „Du bist gerade ganz traurig.“ Oder „Jetzt fühlst du dich gerade ganz wütend, weil wir vom Spielplatz aufbrechen wollen.“ Und das Gleiche gilt für Interessen und Besonderheiten: Zum hundertsten Mal von A nach B springen oder das Ritterbuch lesen – möglichst viel validieren und so sein lassen! Wenn wir nämlich stattdessen abwertende Dinge sagen, sie beschämen – dann ist das ist eine Kerndynamik von People Pleasern. Viele People Pleaser haben die Erfahrung gemacht, dass sie beschämt wurden, wenn sie sich gezeigt haben wie sie sind. Wenn sie bestimmte Gefühle gezeigt haben. Wenn sie bestimmte Interessen gezeigt oder bestimmte Ziele geteilt haben – das andere sie dann ausgelacht oder zumindest invalidiert haben. Was ein Kind daraus lernt, ist: „Wenn ich zu den anderen dazugehören möchte und mich nicht selbst schlecht fühlen möchte, dann muss ich ganz besonders aufpassen, was die anderen wollen, wie die mich haben wollen.“ Dann geht der Fokus nach außen. Das „Nicht beschämen“ ist ein zentraler Punkt. Sich zumuten dürfen, sich zeigen zu dürfen.

Viele People Pleaser haben die Erfahrung gemacht, dass sie beschämt wurden, wenn sie sich gezeigt haben wie sie sind. Wenn sie bestimmte Gefühle gezeigt haben. Wenn sie bestimmte Interessen gezeigt oder bestimmte Ziele geteilt haben(...)

Und was ist Nummer zwei?

Das zweite ist für mich, die eigene Emotionsregulation in den Griff zu bekommen. Weil Kinder sehr sensibel sind. Sie wollen dass es ihren Eltern gut geht. People Pleaser haben als Kind oft eine Parentifizierung erlebt, d.h. eine Rollenumkehr, die geraten plötzlich in die Rolle eines Erwachsenen, müssen mehr Verantwortung übernehmen als es für sie eigentlich altersangemessen wäre. Damit ist nicht gemeint, dass ein Kind auch mit im Haushalt hilft (das ist sehr normal und fördert soziale Kompetenzen), sondern zu viel der Verantwortung oder auch unangemessene emotionale Parentifizierung. Also ein Kind bekommt mit: Oh, die Mama ist sehr erschöpft, also tobe ich jetzt mal nicht rum. Oh, der Papa ist laut – also bin jetzt lieber ganz brav und lieb. Das hat ganz viel damit zu tun, dass Kinder sehr sensibel sind und unausgesprochen in die Leerstellen springen. Sich anpassen. Also als Eltern wirklich zu lernen, wie kann ich gelassen bleiben, wie geh ich mit Stress um, wie kann ich gut streiten – wie kriegen wir das hin, damit die Kinder nicht zu Kümmerern werden müssen.

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Das leuchtet total ein, gleichzeitig kommen mir direkt Alltagssituationen in den Kopf, so ähnlich wie du es gerade beschrieben hast, wo ich als Mutter gerade gerne eine Pause und etwas Ruhe hätte, die Kids aber aufgedreht und laut durch die Wohnung rennen. Ganz praktisch - Wie schaffe ich es, sie nicht für meine Bedürfniserfüllung verantwortlich zu machen und ihnen gleichzeitig beizubringen auch auf Bedürfnisse von anderen zu achten und gegenseitig aufeinander Rücksicht nehmen?

Rücksichtnahme zu lernen ist total wichtig. Es geht ja um eine gute Balance und ein Gesamtgleichgewicht. Wenn ich als Mama also manchmal sage: „Ich brauche jetzt mal 15 Minuten für mich“ und das ist altersangemessen, dass das Kind sich auch mal 15 Minuten selbst beschäftigen kann, dann ist das total ok, vor allem wenn es das auch erklärt bekommt. Weil die Eltern in anderen Momenten ja da und verfügbar sind. Es ist super, wenn Kinder diese soziale Intelligenz erlernen.
Es ist auch total ok, wenn Kinder von sich aus mal die Mama trösten, wenn sie traurig ist oder den Papa versuchen mit nem lustigen Gag zum Lachen zu bringen, wenn er gerade wütend ist. Das ist völlig unkritisch – problematisch wird es, wenn das regelhaft passiert. Wenn ich als Mutter oder Vater bei Stress im Job oder anderen negativen Gefühlen keine erwachsenen Gesprächspartner habe oder andere Strategien kenne, damit umzugehen. Dann bekommt mein Kind das permanent mit und muss ständig etwas tun.

Also es wird schwierig, sobald diese Rollenumkehr zu einem festen Muster wird.

Ja, genau. Das Regelhafte ist das Problem, wo ich vielleicht als Eltern auch Schwachstellen habe. Deswegen ist es auch wichtig, selbst als Eltern bestimmte Kompetenzen zu erlernen und sich insbesondere in Krisensituationen Hilfe zu suchen. Denn aus der psychologischen Forschung ist bekannt, dass gerade in Krisenmomenten – bei einer Scheidung, einer Erkrankungssituation oder dem Tod eines Elternteils – das Risiko für eine Parentifizierung erhöht ist. Weil Kinder dann übermäßig in die Verantwortung gehen oder manchmal ungewollt zum Partner:innen-Ersatz werden. Entscheidend ist auch, ob die Verhaltensweisen als unkontrollierbar gelten.

Es ist ok, seinen Ärger auszudrücken oder eine Grenze zu setzen. Das heißt meine Kinder lernen: „Aha, man darf das! Ich muss mich nicht permanent nur anpassen.“

Das heißt aber auch, dass ich im Alltag grundsätzlich nicht immer meine eigenen Bedürfnisse zurückstellen muss, richtig?

Eher im Gegenteil: Wenn Kinder lernen, Mama oder Papa setzen auch mal eine Grenze, sie nehmen sich mal 15 Minuten für sich, sagen auch mal Nein, das ist doch wunderbar! Kinder lernen ja wahnsinnig viel über das Vorbild und das Zugucken. Und dann darf ich auch meine Gefühle ausdrücken und das Kind lernt: Es ist ok, seinen Ärger auszudrücken oder eine Grenze zu setzen. Das heißt meine Kinder lernen: „Aha, man darf das! Ich muss mich nicht permanent nur anpassen.“ Dann können Kinder soziale Intelligenz entwickeln, ohne sich dauerhaft zuständig zu fühlen für die Gefühle und Bedürfnisse der Eltern.

Das Gespräch mit Ulrike hat mich total berührt. Denn dieses Gefühl nicht verstanden zu werden, kennen wir wohl alle - und wie unglaublich gut es sich anfühlt, wenn jemand unsere Gefühle wahrnimmt, annimmt und uns so sein lässt, wie wir sind. Genau so ein Gefühl möchte ich meinen Kindern jeden Tag mitgeben.
Was konntest du aus diesem Gespräch für dich mitnehmen? Vielleicht einen guten Vorsatz für dieses Jahr? Wenn du dir Unterstützung bei der Umsetzung wünschst, schreib mir gerne!

Mehr zu Ulrike und dem Thema People Pleasing findest du hier:
Ulrikes Webseite
Ulrikes Instagram-Account
Ulrikes Buch

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