Traurig, glücklich, unsicher und verliebt – So viele Gefühle gleichzeitig!

Manchmal schwanken meine Gefühle in wenigen Sekunden: In einem Moment habe ich meine Kinder noch innerlich ungeduldig und selbst müde vom Tag in den Schlaf begleitet und stehe vorsichtig auf, um aus dem Zimmer zu schleichen. Da packt mich die Sehnsucht und eine Welle Liebe überflutet mich: Gerade noch kann ich mich davon abhalten, meine schlafenden Kinder abzuknutschen.

In einem Moment bin ich glücklich und dankbar für meine Elternzeit und dass ich lange bei meinem Kind sein kann, im nächsten Moment fühle ich mich einsam und sorge mich um Gleichberechtigung, Karriereziele und Rentenlücken.

Vor Kurzem sprach ich im Interview mit Lea Borgmann darüber, dass oftmals alles Negative in der Elternschaft überdeckt wird mit „Aber ein Lächeln deines Kindes und alles ist vergessen“. Ein sehr starkes Narrativ, mit dem wir schnell Puderzucker über die unansehnlichen Seiten streuen. Dabei sind es vielmehr viele verschiedene Gefühle gleichzeitig. Es sind Gefühle, die kurz hintereinander oder sogar parallel existieren. Lea sagte sehr treffend, „für so eine Komplexität und Uneindeutigkeit ist glaube ich gar kein Raum“. Und ich glaube, das hat etwas damit zu tun, dass wir Menschen generell wenig Raum für Graustufen lassen und ein „In-Schubladen-stecken“ uns Sicherheit gibt. Bin ich die strahlende, erfüllte Super-Mama oder die überforderte, zweifelnde Rabenmutter? Oder vielleicht doch irgendetwas dazwischen und je nach Situation unterschiedlich?

Der Kampf gegen die eigenen Gefühle

Niemand fühlt gerne Gefühle wie Angst, Unsicherheit, Wut, Neid, Scham oder Traurigkeit. Wir nennen sie oft „negative Gefühle“, obwohl sie für uns wichtige Signale sein können. Sie könnten uns zum Beispiel zeigen, dass wir gerade selbst unerfüllte Bedürfnisse haben. Stattdessen versuchen wir sie zu vermeiden, zu unterdrücken und zu ignorieren.

Die meisten Menschen lassen diese unangenehmen Gefühle nur dann zu, wenn sie einen „guten Grund“ haben. Ein Todesfall, ein unfaire Behandlung am Arbeitsplatz, eine gefährliche Situation im Straßenverkehr. Dann sind Traurigkeit, Wut und Angst für eine kurze Zeit „erlaubt“. Von Eltern und vorallem von Müttern erwarten wir aber, dass sie sich über ihre Situation freuen. Am Kinderlächeln, am Babyspeck, den selbstgemalten Bildern…bei mir tauchen zumindest sofort Bilderbuch-Familien im Kopf auf, die keinen Raum lassen für die negativen Seiten.

Und so kommen diese unangenehmen Gefühle für viele Eltern total unerwartet und meist heftig in ihr Leben. Oftmals erfüllt sich schon die Vorstellung nicht, nach der Geburt sofort eine unbändige Liebe für das eigene Kind zu empfinden. Und dann geht das Gedankenkarussel los: Was mache ich falsch? Warum bin ich anders als alle anderen? Was stimmt mit mir nicht? Ein innerer Kampf gegen die eigenen Gefühle….

Gedicht von Poems for Parents über Gefühle in der Mutterschaft

Text: © poems for parents via Instagram

Und dann on top: Scham- und Schuldgefühle

Zu den unangenehmen Gefühlen kommen dann schnell noch Scham- und Schuldgefühle obendrauf. Das hat vor allem damit zu tun, dass wir unseren eigenen Erwartungen oder den Erwartungen von außen nicht mehr entsprechen. Diese Momente fühlen sich unglaublich einsam an, weil wir schnell den Eindruck bekommen, unsere Gefühle und Gedanken seien nicht normal.

Vielleicht kennst auch du Gedanken wie:

  • Wieso kann ich die Zeit nicht einfach genießen? Ich bin einfach keine geborene Mutter.
  • Ich bin einfach froh, wenn meine Tochter endlich ihren Mittagsschlaf macht! Wie kann ich nur soetwas denken?
  • Ich hab Angst davor, alleine mit meinem Baby zu sein. Ich bin einfach total unsouverän.
  • Ich würde gerne wieder arbeiten gehen, mich produktiv fühlen, Anerkennung bekommen. Ich bin wohl eher karrierefixiert…
Schnell wird aus einem Gefühl, einem Gedanken, einem Moment dann die Grundsatzfrage – Bin ich überhaupt eine gute Mutter?

Der Mythos der perfekten Mutter

Diese Idee, wie eine gute Mutter sein muss, setzt uns enorm unter Druck. Wir sehen die perfekte Mutter nicht als unrealistisches Ideal (was sie eigentlich ist), sondern als die Norm, die es zu erreichen gilt. Alle anderen kriegen es doch auch hin, oder? Alle anderen sind doch souverän, glücklich, gut organisiert und genießen jeden Tag ihres Elternseins – oder?

Wenn wir unsere unangenehmen Gefühle mehr teilen würde, uns anderen Eltern echter und ehrlicher zeigen würden – wir könnten einander Mut machen. Dafür, dass es eben völlig normal und völlig ok ist, mehrere Gefühle gleichzeitig zu fühlen. Und dass das Elternsein angenehme und unangenehme Gefühle mit sich bringt. Sie gehören einfach zum Menschsein und erst recht zum Elternsein dazu. Niemand ist immer gliglaglücklich wie die Einhörner im Herzwald  – Gefühle sind quasi von Natur aus unbeständig und nur von kurzer Dauer. Das gilt für die angenehmen genauso wie für die unangenehmen.

3 Tipps für einen gesunden Umgang mit allen Gefühlen

Ein wichtiger Part im Umgang mit dieser Ambivalenz der Gefühle ist also erstmal die Akzeptanz. Anzunehmen, dass diese Gefühle zu meinem Leben dazu gehören und ehrlich zu mir selbst zu sein.

Ja, diese Gefühle sind da! Ich fühle sie, aber sie bestimmen nicht wer ich bin und sie bestimmen auch nicht, wie ich darauf reagiere. Ich nehme sie wahr, lasse sie zu und nehme mir Zeit, ihr Signal zu verstehen.

1. Was will mir mein Gefühl sagen?

Vor ein paar Tagen habe ich mich über die vielen Löwenzahnpflanzen in unserem Garten gewundert und gelernt: Löwenzahn ist eine Zeigerpflanze. Sie zeigt uns, dass im Boden sehr viel Stickstoff enthalten ist, der für manche Pflanzen wichtig für andere nicht so gut ist.
Wir können üben, auch unsere Gefühle als Anzeiger wahrzunehmen. Sie machen uns darauf aufmerksam, dass wir gerade ein „Zuviel“ oder „Zuwenig“ haben – und führen uns so zu einer möglichen Lösung. So zeigt dir Neid auf dein:e Partner:in vielleicht, was du auch gerne mal wieder in deinem Alltag hättest. Oder Wut zeigt dir, dass du dich selbst zu lange hinten angestellt hast und deine eigenen Bedürfnisse übergangen hast. Das sind natürlich nur Beispiele und kann sich je nach Situation und Person unterscheiden.

2. Wir sitzen alle im selben Boot!

Vielleicht hast du in letzter Zeit schonmal etwas von „Selbstmitgefühl“ gehört oder gelesen. Es ist gewissermaßen das Gegenteil eines inneren Kritikers, sondern vielmehr deine „innere Freundin“, die dich versteht, in den Arm nimmt und dir zuhört. Ein wichtiger Teil dieser Fähigkeit beinhaltet auch, die Verbindung mit anderen Menschen zu spüren. Anstatt also zu denken „Was stimmt nicht mir mir?“ ist es viel hilfreicher (und realistischer) sich selbst zu vergewissern „Anderen Eltern geht es genauso wie mir.“, „Fast alle Eltern kennen solche Situationen.“ oder „Wir sind alle Menschen. Diese Gefühle gehören dazu.“
 
An diesem Punkt ist es mir allerdings wichtig, darauf hinzuweisen, dass du die Gefühle deshalb nicht ignorieren oder herunterspielen solltest. Wenn du dich zum Beispiel sehr häufig überfordert, traurig, verzweifelt oder hilflos fühlst, ist dies ein wichtiges Zeichen für dich, etwas zu verändern und dir (professionelle) Unterstützung zu suchen!

3. Das Wörtchen "Und"

Das nächste Mal, wenn du denkst oder darüber sprichst, dass du dein Kind zwar liebst, ABER…., dann ersetze doch mal das Wort ABER durch UND. Sprache ist mächtig und beeinflusst unsere Wahrnehmung: Plötzlich schließen sich Liebe und andere Gefühle nicht mehr aus, sondern ergänzen sich. Du liebst dein Kind UND bist erschöpft von zu wenig Schlaf. Du verbringst gerne Zeit mit deinem Kind UND bist gerne alleine. Du hilfst gerne beim Hausaufgaben machen UND die Chauffeurdienste nerven dich……

Wie gut kannst du mit dieser Gleichzeitigkeit der Gefühle umgehen? Kannst du dir selbst und anderen zugestehen, nicht in eine Schublade zu passen? Deine Gefühle akzeptieren?
In meinen Beratungen arbeiten wir sehr häufig an genau solchen Themen – wenn du dich also jetzt angesprochen fühlst, schau doch gerne mal bei meinen Angeboten vorbei!

Zufriedene UND müde Grüße,
Anna

Beitragsfoto von William Fortunato via pexels.com

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