Elterngefühle – Teil 4 – The One where everyone has a hard time

Wut, Angst, Einsamkeit – das alles sind Gefühle, die wir am liebsten gar nicht spüren würden. Und sie daher häufig verdrängen, runterschlucken, mit Konsum und anderer Ablenkung überdecken. Für die wir auch kaum Raum haben, in einem Alltag unter Zeitdruck und mit kleinen Kindern, die uns mit erschrockenen Augen anschauen, wenn wir die Nerven verlieren.
Der gesunde Umgang mit Gefühlen ist dabei so unfassbar wichtig für unsere Gesundheit, für mehr Wohlbefinden und ja, auch für eine gesunde Entwicklung unserer Kinder. Es lohnt sich also mindestens dreifach, sich damit zu beschäftigen!

Im letzten Teil dieser Serie geht es also genau um diese schwierigen Gefühle und Impulse von mir, wie du deinen Blick darauf verändern kannst und was dir im Alltag helfen kann. Das Interview erscheint im Februar im Rossman Babywelt Club-Magazin, wenn du dich noch anmeldest, bekommst du ein gedrucktes Exemplar nach Hause geliefert! (* Werbung, unbeauftragt und unbezahlt). Und du findest das ganze Interview jetzt auch auf der Rossmann-Webseite!

Die Elterngefühle-Serie

Teil 1 – The One with all the love
Teil 2 – The One with all the good stuff
Teil 3 – The One where everyone is exhausted
Teil 4 – The One where everyone has a hard time (dieser Artikel)

Einsamkeit & Sehnsucht

"Ich wünsche mir mein altes Leben vor den Kindern zurück” – ab wann wird diese Sehnsucht problematisch?

Erst mal möchte ich auch hier sagen: Es ist okay, sich so zu fühlen. Wir dürfen vermissen, dass wir vor dem Elternwerden spontaner sein konnten, uns weniger Sorgen gemacht haben oder nur für uns selbst verantwortlich waren. Wenn wir zulassen, dass es eine Gleichzeitigkeit der Gefühle gibt, entlastet uns das oft. Dass wir unsere Kinder lieben UND den Alltag viel anstrengender finden als vorher zum Beispiel. Oder dass wir unseren Kindern gerne abends etwas vorlesen UND mit Freunden um die Häuser ziehen möchte. Und dann eben schauen, was möglich ist, und sich vielleicht anders, aber auch gut anfühlt. Wer durch diese Gefühle permanent unzufrieden mit dem Alltag ist oder sich nicht gut um seine Kinder kümmern kann, sollte sich Hilfe suchen. Es gibt ja auch das Phänomen „Regretting Parenthood“, also zu bereuen, überhaupt Eltern geworden zu sein. Wie häufig das ist, darüber gibt es noch keine genauen Daten – aber klar, das kann vorkommen. Und dann geht es eben darum, gute Strategien zu finden, mit dieser Situation umzugehen. Vielleicht auch mit professioneller Hilfe.

Wenn wir zulassen, dass es eine Gleichzeitigkeit der Gefühle gibt, entlastet uns das oft. Dass wir unsere Kinder lieben UND den Alltag viel anstrengender finden als vorher zum Beispiel.

Woher kann die Sehnsucht nach Dingen und Situationen kommen, die eigentlich unerreichbar sind?

Manchmal ist sie ein Zeichen von Überforderung bzw. einem Zuviel an Anforderungen und einem Zuwenig an Ressourcen. Und auf diesen Stress reagieren wir dann mit unserem angeborenen Reflex zu fliehen – also irgendwie aus dieser Situation zu entkommen. Diese Sehnsucht können wir aber auch als wichtigen Hinweis nehmen, für bestimmte Werte oder Bedürfnisse, die momentan vielleicht nicht so ausgelebt werden können. Wenn wir z. B. gerne früher die ganze Nacht feiern gegangen sind, aber momentan stillen und immer in Reichweite des Babys sein wollen, dann klingt das erst mal als unerreichbar. Aber wir können uns fragen: Wie können wir das gleiche Bedürfnis erfüllen – nur vielleicht auf eine andere Art und Weise? Vielleicht war das Feiern für uns vor allem ein Abschalten vom Alltag und eine Zeit mit Freunden? Dann lassen sich dafür Alternativen finden. Mit Freunden gemeinsam einen Tagesausflug in eine unbekannte Stadt machen vielleicht. Und das Feiern ist dann irgendwann auch wieder möglich!

Wie verändert sich das Erleben von Einsamkeit eigentlich, sobald wir Eltern werden?

Diese Einsamkeit, die viele Eltern erleben, sehe ich als Versagen unserer Gesellschaft, nicht als die Schuld eines Einzelnen. Eigentlich sind wir dafür gemacht, Kinder gemeinsam mit anderen aufzuziehen, mit Unterstützung von anderen Erwachsenen aus unserer Gemeinschaft, die uns Arbeit abnehmen, während das Kind in unserer Nähe bleiben kann. Und es würde schon enorm helfen, wenn kleine Kinder überall ganz normal zum Leben dazugehören würden und sich nicht möglichst unauffällig verhalten müssten. Wir sind also im Alltag oft mit unserem Baby stundenlang allein – und fühlen uns dann einsam, weil wir keinen Austausch mit Erwachsenen haben. Da wir leider nicht so schnell die Rahmenbedingungen ändern können, möchte ich jede und jeden ermutigen, sich ein Dorf aufzubauen, das uns eben genau diesen fehlenden Austausch und Unterstützung bietet. Andere Mütter und Väter, mit denen wir den ganz normalen Alltag verbringen können. Wir können uns mit anderen Eltern zusammentun – und ihnen dadurch ebenfalls aus der eigenen Isolation helfen.

Diese Einsamkeit, die viele Eltern erleben, sehe ich als Versagen unserer Gesellschaft, nicht als die Schuld eines Einzelnen. Eigentlich sind wir dafür gemacht, Kinder gemeinsam mit anderen aufzuziehen (...)

Wut & Angst

Wenn die Einschlafbegleitung ewig dauert, das Kind das Essen auf den Boden wirft, sich Geschwister streiten – dass wir in solchen Situationen wütend werden, ist normal. Fühlt sich trotzdem nicht gut an. Was ist für den Umgang mit Wut ratsam?

Kinder dürfen grundsätzlich mitbekommen, dass wir wütend oder genervt sind, genauso wie andere Gefühle auch. Wir dürfen in dem Sinne also authentisch auf solche Situationen reagieren – mit einem großen ABER: Kinder sind von uns abhängig und wir sind ihr sicherer Hafen. Sie sollten niemals Angst vor uns bekommen oder die Verantwortung für die Situation übernehmen müssen. Wir sollten uns auch immer darüber bewusst sein, dass wir ihr Vorbild im Umgang mit Gefühlen sind. Wenn wir also selbst dazu neigen, bei Frust und Wut herumzuschreien und zu toben, sollten wir an uns arbeiten. Es geht dabei nicht darum, die Wut zu unterdrücken oder so zu tun, als würden wir sie nicht fühlen. Es geht darum, zu lernen, sie rechtzeitig wahrzunehmen und bewusst darauf zu reagieren. In einer akuten Wutsituation ist es wichtig, erst mal räumlichen oder zeitlichen Abstand zu gewinnen – denn im wütenden Zustand können wir nicht mehr klar denken und so handeln, wie wir es uns vorgenommen haben. Und im Anschluss an eine schwierige Situation können wir dem Kind erklären, was passiert ist und uns bei unserem Kind entschuldigen für das, was uns leidtut.

Es geht dabei nicht darum, die Wut zu unterdrücken oder so zu tun, als würden wir sie nicht fühlen. Es geht darum, zu lernen, sie rechtzeitig wahrzunehmen und bewusst darauf zu reagieren.

Hat das Gefühl „Wut” eigentlich einen psychologischen Nutzen? Warum werden wir wütend?

Ja, Wut hat erst mal den Sinn, uns mit der nötigen Motivation und Energie auszustatten, um die eigenen Grenzen zu verteidigen oder sich gegen etwas zu wehren. Es ist auch ein sehr deutliches Signal an das Gegenüber. Manchmal überdeckt Wut aber auch andere Gefühle, die wir nicht wahrhaben wollen oder ausdrücken können. Wenn ich mich z. B. in einer Situation hilflos fühle, weil mein Kind sich nicht die Zähne putzen möchte, reagiere ich möglicherweise mit Ärger oder Wut. Manchmal sind wir auch im Alltag mit Kindern so ausgelaugt und haben tagelang kaum Raum für eigene Bedürfnisse, dass wir uns gereizt fühlen und schneller an die Decke gehen. Ein klares Zeichen für uns, dort mal genauer hinzuschauen.

Manche Eltern entwickeln durch die Geburt eines Kindes Ängste, die sie vielleicht noch gar nicht kannten. Welche sind das? Woher kommen sie und ab wann wird es kritisch?

Eine gewisse Unsicherheit ist völlig normal – schließlich sind viele Situationen durch die neue Lebenssituation für uns völlig neu, es gibt meist keine klaren Vorgaben oder sogar gegenläufige Ratschläge. Noch dazu sind Babys und Kinder körperlich und emotional lange Zeit vollkommen abhängig von uns – und wir dafür verantwortlich, sie zu beschützen. Ängste kreisen daher häufig um die Gesundheit und Sicherheit unserer Kinder. Gleichzeitig haben Eltern heute ein enormes Wissen über die Bedeutung der ersten Lebensjahre und werden oft von der Gesellschaft für das Verhalten ihrer Kinder verantwortlich gemacht. Sie haben also große Angst, etwas falsch zu machen oder negativ aufzufallen. Kritisch wird es, wenn uns diese Ängste im Alltag gedanklich total einnehmen, uns einschränken oder die Entwicklung des Kindes hemmen, z. B. weil wir ihm nicht zutrauen, auf ein Klettergerüst zu klettern, aus Angst, es könnte sich verletzen.

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