Elterngefühle -Teil 3 – The One where everyone is exhausted

Kurz vor dem Start in den (besinnlichen? stressigen? verschnupften?) Advent möchte ich mit euch den dritten Teil der Elterngefühls-Serie teilen: Diesmal geht es um die Gefühle, die wir am liebsten vermeiden wollen und die uns manchmal dann doch total überrollen. Ich erzähle in diesem Ausschnitt aus dem Interview etwas darüber, weshalb auch die unangenehmen Gefühle wichtig für uns sind und spreche über die krasse Erschöpfung und Überforderung, die viele Eltern in den ersten Monaten oder Jahren mit Kind(ern) empfinden.

Als meine zweite Tochter etwa ein halbes Jahr alt war, meine Große war da gerade 4, sind wir umgezogen. Und ein paar Tage später in den Urlaub gefahren. Ich war einfach nur erschöpft. Ich konnte keinen Tag des Urlaubs genießen, ich habe schlecht geschlafen und war genervt von allem und jedem. Pandemie, Dauerstillen, Umzugschaos. Es war einfach alles zu viel. An diese Zeit musste ich denken, als ich den Beitrag von heute vorbereitet habe.
Diese Zeit war ein unglaublicher Kraftakt – ich kenne diese Gefühle selbst also sehr gut. Und möchte dir Mut machen, gerade dann genauer hinzuschauen und auf dich zu achten, wenn du eigentlich denkst „Augen zu und durch“.

Die Elterngefühle-Serie

Teil 1 – The One with all the love
Teil 2 – The One with all the good stuff
Teil 3 – The One where everyone is exhausted (dieser Artikel)
Teil 4 – The One where everyone has a hard time

Wut, Angst, Traurigkeit - Was tun mit schwierigen Gefühlen?

Unangenehme Gefühle wie Wut und Angst wünscht sich natürlich niemand, aber sie gehören zu unserem Leben. Was ist aus psychologischer Sicht die beste Strategie, dieser Gefühlswelt zu begegnen?

Es ist hilfreich, auch unangenehme Gefühle als Teil unseres Lebens zu akzeptieren und sich eher auf einen gesunden Umgang mit diesen Gefühlen zu konzentrieren. Also weder zu versuchen, sie zu bekämpfen, noch sie zu unterdrücken. Wir können uns immer fragen: Was will mir dieses Gefühl sagen? Ist es vielleicht ein Signal für mich, dass ein bestimmtes Bedürfnis von mir nicht erfüllt ist? Ist es vielleicht ein Hinweis, besser auf mich aufzupassen oder mich mit einem Thema mehr zu beschäftigen? Es hilft auch, sich bei sehr überwältigenden Gefühlen ein paar Notfall-Strategien zurecht zu legen, auf die man dann zurückgreifen kann. Und sich klar zu machen: Alle Gefühle sind vorübergehend.

Kann man einen „gesunden“ Umgang mit unerwünschten Gefühlen lernen?

Ja, definitiv. Natürlich ist es nicht leicht, alte Muster und eingeschliffene Gewohnheiten zu durchbrechen. Es braucht im ersten Schritt den Willen, sich selbst zu reflektieren und auf die Situationen und Gedanken zu schauen, die solche Gefühle hervorrufen. Ob man Unterstützung von außen braucht, lässt sich nur im Einzelfall sagen. Auf jeden Fall heißt es Üben, üben, üben.

Wenn die unerwünschten Gefühle positive Erlebnisse überschatten: Wann sollten Eltern handeln und wie können sie aus der Negativspirale entkommen?

Wenn wir uns kaum noch freuen, nichts mehr genießen können und uns selbst Dinge keinen Spaß mehr machen, die es früher getan haben, kann dies ein Hinweis auf eine Depression sein. Wenn Eltern dies bemerken, sollten sie sich immer professionelle Unterstützung von Psychotherapeut:innen oder Psychiater:innen suchen.

Wir können uns immer fragen: Was will mir dieses Gefühl sagen? Ist es vielleicht ein Signal für mich, dass ein bestimmtes Bedürfnis von mir nicht erfüllt ist?

Welche Rolle spielen beim Erleben dieser Gefühle eigene Kindheitserfahrungen?

Eine sehr große – denn in der Kindheit und sogar schon vor der Geburt wird unser Stress-Regulations-System eingestellt: von sehr sensibel und hochreaktiv bis zu entspannt und ausgeglichen. Ganz grob gesagt, bestimmt dies, wie empfindlich wir auf äußere Stressfaktoren reagieren. Auch der Umgang mit Gefühlen ist gelernt: Je nach dem wie unsere Eltern und unser Umfeld auf unsere Gefühle reagiert haben und wie sie selbst Gefühle gezeigt haben, haben wir dies verinnerlicht. Mädchen haben z.B. oft gelernt, „laute“ Gefühle wie Wut zu unterdrücken während Jungen oft gehört haben, sie dürften keine Schmerzen oder Schwäche zeigen. Schon allein die Bewertung, was „gute“ Gefühle sind und was „schlechte“ ist letztendlich gelernt.

Erschöpfung & Überforderung als Eltern

Es gibt viele Faktoren, die nach der Geburt eines Kindes zu körperlicher und seelischer Erschöpfung führen können. Welche sind besonders typisch und kaum zu vermeiden?

Die körperliche Erschöpfung kann u.a. durch einen Mangel an bestimmten Nährstoffen wie Eisen kommen, eine Veränderung des Hormonhaushalts oder auch durch wenig und schlechten Schlaf entstehen. Wenn Frauen stillen, ist auch dies eine körperliche Kraftanstrengung. Da kommen also verschiedene Faktoren zusammen. Die seelische Erschöpfung kann ebenfalls mit diesen Faktoren zusammenhängen, dazu kommen die Anpassung und Umstellungen im Alltag, das Hineinwachsen in die neue Rolle und möglicherweise eine nicht ausreichende Unterstützung aus dem Umfeld. Wir sollten auf jeden Fall sehr vorsichtig damit sein, Erschöpfung einfach als festen Bestandteil des Elternwerdens zu sehen – und Eltern ermutigen sich frühzeitig auch um die eigenen Bedürfnisse zu kümmern und ihnen soviel Unterstützung anbieten, wie möglich.

Mutter mit Eltern-Burnout schreit gestresst
Elternalltag

Ist es normal, so erschöpft zu sein?

Du fühlst dich gestresst, erschöpft oder zweifelst immer öfter an dir als Mutter? Viele Eltern mit kleinen Kindern sind nach fast drei Jahren Pandemie und

Welche Folgen kann die elterliche Erschöpfung haben?

Hier gibt es eine große Spannbreite, je nach dem wie lang die Erschöpfung andauert und wie schwerwiegend sie ist. Aber natürlich hat die Erschöpfung einen Einfluss darauf, wie gut die körperliche Regeneration und die Anpassung an das neue Leben mit Kind verlaufen. Wenig Energie für Alltagsaufgaben oder sozialen Austausch zu haben kann schnell zu einem Teufelskreis werden und dann auch zu Depressionen oder Angsterkrankungen führen, aber auch die Beziehung zum Kind negativ beeinflussen.

Welche Strategien helfen dabei, mit der andauernden Erschöpfung umzugehen?

Am wichtigsten finde ich die Unterstützung durch den/die Partner:in und das nähere Umfeld. Auch Schlaf und regelmäßige Mahlzeiten sollten oberste Priorität haben und sobald sich der Körper von der Geburt erholt hat, auch Bewegung. Natürlich sollte auch die Versorgung mit Nährstoffen und der Hormonhaushalt ärztlich geprüft werden. Sollte die Erschöpfung länger andauern und den Alltag und das eigene Wohlbefinden stark einschränken ist dies aber ein Warnsignal – und die Betroffenen sollten sich professionelle Unterstützung suchen.

Ich finde die Einstellung „Schritt für Schritt, Tag für Tag“ da sehr hilfreich: Also nicht zu viel auf einmal vorzunehmen und jeden Tag etwas dazulernen.

Kurz gesagt: Ab wann fühlen wir uns mit einer Situation überfordert? Was führt dazu?

Wir vergleichen die Herausforderungen des Alltags mit unseren eigenen Ressourcen und Fähigkeiten und prüfen, ob wir es wohl schaffen werden, mit dieser Situation umzugehen. Fällt die Bewertung negativ aus, fühlen wir uns überfordert. Es gibt dann zwei Stellschrauben: Entweder wir reduzieren die Anforderungen und Stressfaktoren und/oder wir stärken unsere Ressourcen. Als Beispiel: Wenn wir merken, wir fühlen uns überfordert damit, unser schreiendes Baby zu beruhigen (was sehr verständlich ist!), dann können wir die Anforderung nicht wirklich reduzieren. Aber wir haben die Möglichkeit bei unseren Ressourcen und Fähigkeiten anzusetzen z.B. in dem wir uns mit unserem Partner abwechseln, lernen, selbst ruhig zu bleiben in diesen Momenten und die Signale unseres Babys zu verstehen.

Die neue Situation und Verantwortung kann zu Unsicherheit und auch Überforderung führen. Wie können Eltern lernen, mit überfordernden Situationen gelassen umzugehen?

Für viele ist es erstmal wichtig und entlastend zu erfahren, dass sie nicht alles instinktiv wissen müssen. Sie dürfen sich Zeit nehmen, um ihr Baby kennenzulernen und das Wissen und die vielen neuen Fähigkeiten anzueignen, die sie nun brauchen: Wie wickle ich mein Baby? Was sind das für Pocken am Po? Wie kann ich mein Baby beschäftigen? Ich finde die Einstellung „Schritt für Schritt, Tag für Tag“ da sehr hilfreich: Also nicht zu viel auf einmal vorzunehmen und jeden Tag etwas dazuzulernen. 
Wenn Eltern sich in einer bestimmten Situation akut überfordert fühlen, hilft es oft, innezuhalten und den aufkommenden Stress wortwörtlich abzuschütteln (Hände ausschütteln o.ä.) oder langsam in den Bauch zu atmen, um den Körper zu beruhigen. In einem zweiten Schritt kann man sich dann selbst Mut zusprechen, z.B. in dem man sich innerlich sagt: „Dies ist kein Notfall.“ Oder „Ich schaffe das.“ Diese Strategien helfen auch beim Umgang mit anderen starken Gefühlen.

Du fühlst dich gerade völlig erschöpft und kannst das Elternsein nicht mehr genießen?

Dann melde dich bei mir für eine Beratung!
Gemeinsam schauen wir uns deine Situation genauer an und finden die Stellschrauben, die dir helfen können, den Alltag zu meistern und einen guten eigene Weg zu finden!

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